28.03.2013

Offener Umgang mit ärztlichen Behandlungsfehlern (28.03.2013)

Ohne Zweifel sind der medizinische Standard und die Behandlungsqualität in Deutschland heute so hoch wie nie zuvor. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle können Ärzte ihre Patienten erfolgreich therapieren und so maßgeblich zu ihrer Genesung beitragen. Allerdings kommt es immer wieder – zwar nur bei einem kleinen Anteil aller Behandlungen, dafür aber regelmäßig – zu ärztlichen Fehlern. In diesen Fällen sind falsche medizinische Interventionen dafür verantwortlich, dass bei Patienten eine gesundheitliche Verschlechterung statt eines Behandlungserfolgs eintritt. Studien gehen davon aus, dass rund ein Prozent aller Patienten von derartigen Fehlern betroffen sind, die dann zu relevanten Schäden führen – im Extremfall sogar bis zum Tode. Für Behandlungsfehler besonders anfällig sind dabei medizinische Routineeingriffe, bei denen Fehler häufig mit einfachen Mitteln verhindert werden könnten.

Für die Jungen Liberalen ist klar, dass Ärzte und medizinisches Fachpersonal für unsere Gesellschaft oft lebenswichtige Dienste leisten. Dennoch sind auch im Gesundheitswesen nur Menschen tätig und Menschen machen Fehler. Gerade deshalb und weil es in der Folge von Forschungsfortschritten auch im Gesundheitssektor zu immer stärkerer Arbeitsteilung kommt, die die Verantwortung für die Patienten auf immer mehr Schultern verteilt, muss es aus Sicht der Jungen Liberalen gerade in der Medizin ein wirkungsvolles und effizientes System der Vorbeugung, Aufdeckung und Analyse von Fehlern geben.

In diesem Zusammenhang erkennen die Jungen Liberalen zwar an, dass es in jüngster Vergangenheit erste zaghafte und freiwillige Initiativen gab, die durchaus reduzierbaren Fehlerraten zu senken, diese Versuche aber nur auf wenige Kliniken und Einrichtungen beschränkt blieben. Stattdessen muss zur Kenntnis genommen werden, dass es gerade in der Medizin an einer Kultur des offenen Umgangs mit Behandlungsfehlern mangelt und stattdessen bis heute das Leitbild des grundsätzlich fehlerfreien Arztes vorherrscht. So glaubt laut Umfragen noch immer ein Großteil der deutschen Chirurgen an die sogenannte Null-Fehler-Attitude und ist davon überzeugt, selbst unter großer Müdigkeit fehlerfrei arbeiten zu können. Gleichzeitig gibt ein Großteil der Befragten an, dass es unerfahrenen Teammitgliedern während einer Operation schlichtweg nicht zusteht, Entscheidungen erfahrener Ärzte zu hinterfragen bzw. zu kritisieren. Eine Haltung, die aus Sicht der Jungen Liberalen nicht länger zu akzeptieren ist.

Um vermeidbare Behandlungsfehler möglichst umfassend zu verhindern und langfristig eine Kultur des offenen Umgangs mit ihnen zu etablieren, fordern die JuLis deshalb die Einführung wirkungsvoller und effektiver Maßnahmen im medizinischen, insbesondere aber im klinischen Alltag. Ein erster Schritt in diese Richtung sollte dabei die flächendeckende und verpflichtende Einführung der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Checkliste für Operationen sein, die Behandlungsfehler nachweislich zu reduzieren hilft und insbesondere schwersten Fehlern wie beispielsweise der Amputation falscher Körperteile oder Eingriffen beim falschen Patienten vorbeugt. Daran anknüpfend fordern die Jungen Liberalen die sukzessive Einführung weiterer, von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie empfohlener Maßnahmen zur verbesserten Kommunikation und Bearbeitung von Fehlern. Dazu sollten insbesondere Team-Briefings und Team-Debriefings vor und nach Operationen gehören, bei denen der Eingriff verbal vor- und nachbereitet sowie Risiken und zu erwartende Komplikationen von allen Beteiligten analysiert werden. Sinnvoll erscheint außerdem die Einführung von sogenannten chirurgischen Time-Outs, also kurzen Momenten des Reflektierens und Innehaltens vor dem ersten operativen Hautschnitt, wie sie in den USA schon längst Standard sind. Auch eine gegenseitige und persönliche Vorstellung der an einer Operation beteiligten Personen sollte zukünftig obligatorischer Bestandteil der Eingriffsvorbereitung sein, um so zum Abbau subjektiv empfundener Scheu beim Ansprechen von Auffälligkeiten und möglichen Fehlern in hierarchischen Behandlungssituationen beizutragen.

Weiterhin ist es aus Sicher der Jungen Liberalen dringend notwendig, bereits in der medizinischen Ausbildung – sowohl im Rahmen des universitären Studiums von Ärzten als auch innerhalb der klassischen Berufsausbildung des Fachpersonals – verstärkt auf den offenen Umgang mit Fehlern hinzuwirken. Gerade jungen Assistenzärzten muss bereits vor dem Eintritt in erste Klinikphasen das notwenige Rüstzeug an die Hand gegeben werden, um charakterlich gefestigt und selbstbewusst auch gegenüber erfahreneren Kollegen auf mögliche Fehler hinzuweisen und die eigene fachliche Meinung offen zu äußern. Nur so ist es langfristig möglich, die bis heute vorhandene aber völlig irrationale Null-Fehler-Attitude durch eine Kultur der offenen Kommunikation und Fehlerbearbeitung zu ersetzen, was letztendlich im Sinne aller Beteiligten ist.

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